Am 3. Dezember 1984 ereignete sich im indischen Bhopal eine der größten Katastrophen in der Geschichte der industriellen Chemie. Im Werk der Union Carbide of India Limited, einer Tochtergesellschaft der Union Carbide Corporation, explodierte ein Tank und setzte rund 40 Tonnen Methylisocyanat (MIC) in die Atmosphäre frei. MIC ist eine leichtflüchtige, sehr reaktive Flüssigkeit, die schon in geringen Konzentrationen Haut- und Schleimhautverätzungen, Augenschädigungen und Lungenödeme hervorrufen kann.
Die Union Carbide Corporation zählte 1984 mit einem Umsatz von 9,5 Milliarden US-Dollar zu einem der größten Chemiekonzerne der Welt.
Eine halbe Million Menschen
wurden bei diesem Unglück, das die Inder bis heute als ihr „Hiroshima“ bezeichnen (FAZ), schwer verletzt oder entstellt, mehr als 15.000 starben,
Schätzungen reichen gar bis 25.000. Noch heute kommt
jedes vierte Baby in Bhopal tot zur Welt, zahllose Menschen leiden
unter Atemnot und Krebs, haben Nervenkrankheiten oder sind unfruchtbar,
das Grundwasser ist verseucht, immer noch, berichtete am 3.12.2012 Die Welt.
Profit vor Sicherheit
In einer Fallstudie, die 2001 zuerst im Krisennavigator veröffentlicht wurde, erklären die Verfasser: "Finanzielle Überlegungen führten dazu, daß ein computergestütztes Sicherheitssystem, wie es in einem ähnlichen Werk der Union Carbide Corporation in den USA installiert worden war, in Indien nicht zum Einsatz kam. Mit Hilfe eines solchen Systems hätte schneller auf erste Anzeichen der Katastrophe reagiert werden können. Periphäre Risiken: Katastrophen und andere Großschadensfälle zählen zu den sogenannten "periphären Risiken". Zur Vorbereitung auf solche Zwischenfälle wurde von Union Carbide India Limited eine Reihe von Vorkehrungen getroffen. Während der Katastrophe waren jedoch einige wichtige Sicherheitseinrichtungen - wie der Temperaturalarm, das Notkühlsystem, die Gaswäsche und die Gasverbrennung - außer Betrieb. Lediglich das Überdruckventil war funktionsbereit, so daß das MIC ohne Gaswäsche und Gasverbrennung ungehindert in die Umwelt gelangen konnte. Der nicht funktionsfähige Temperaturalarm und das abgeschaltete Notkühlsystem beschleunigten die Katastrophe und verhinderten aufgrund des schnellen Reaktionsablaufes weitere Maßnahmen während des Unglücks." Marc Pohlkamp, Andreas Rolf, Wolfgang Schräder: Prozeßstörungen als Risikofaktor in der chemischen Industrie: Der Fall "Bhopal" von Union Carbide, Fallstudie, 2001
Gefährlicher Müll
Dass ein in Deutschland fast vergessener Chemieunfall in Indien auch noch nach 28 Jahren nach Deutschland ausstrahlen kann, zeigte 2012 das Angebot der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), 350 Tonnen mit Pestizid belastetes Erdreich in Deutschland zu verbrennen. Dies schien der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Stadtverordnetenversammlung in Gernsheim zu gefährlich, weshalb sie am 20.06.2012 eine Resolution mit Ergänzungen der SPD-Fraktion vorlegte, die einstimmig verabschiedet wurde. Darin heißt es: „Kein Giftmülltourismus, sondern verantwortungsvolle Entsorgung vor Ort“. Zudem berge der Transport hochgiftiger Abfälle unverhältnismäßige Gefahren für Mensch und Umwelt. Statt hochgiftigen Müll um den halben Globus zu transportieren und in Deutschland in unterversorgten Giftmüllverbrennungsanlagen zu entsorgen, muss Politik und Wirtschaft Indien dabei helfen, den Müll selbst sicher zu entsorgen."
Dazu auch: Bhopal Disaster, updated Jun 04, 2013, toxipedia.org
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